"Wir wollen auch noch in 30 Jahren auf unserer Erde wohnen"

Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Als Genossenschaft leisten auch wir unseren Beitrag und finden neue Lösungen für eine Klimaneutralität unseres Wohnungsbestands. Wie weit wir schon sind? Wir haben unseren neuen Energiemanager gefragt.

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Andreas Majeri auf dem Dach eines unserer Häuser im Quartier Rübenkamp. Dort befindet sich eine Solarthermieanlage zur Unterstützung der Warmwasserbereitung.

Herr Majeri, seit 1. Oktober 2022 arbeiten Sie bei unserer Genossenschaft. Wie gefällt es Ihnen bei uns?

Andreas Majeri: Sehr gut. Schon als gelernter Heizungsbauer übernahm ich viele Aufträge für die Genossenschaft, bis ich schließlich von 2008 bis 2017 als Heizungs- und Lüftungsbaumeister bei den Schiffszimmerern angestellt war. Zu dieser Zeit machte ich eine Fortbildung zum Energieberater und geprüften Betriebswirt. Jetzt freue ich mich auf meine neue Herausforderung.

Neben Ihrer Aufgabe als stellvertretender Abteilungsleiter der Haustechnik verantworten Sie das Energiemanagement unserer Genossenschaft. Warum benötigen wir einen Energiemanager?

Andreas Majeri: Durch den großen Energiebedarf sind wir Menschen seit der Industrialisierung für den Ausstoß von immer mehr Kohlenstoffdioxid, kurz CO2, verantwortlich. Insbesondere der Gebäudesektor ist für rund 30 Prozent der Emissionen in Deutschland verantwortlich. Das liegt neben der benötigten Energie für den Neubau und Abriss von Gebäuden daran, dass private Haushalte viel Energie verbrauchen – zum Beispiel für das Heizen oder die Nutzung von Strom und Warmwasser.

Warum ist CO2 so gefährlich?

Andreas Majeri: CO2 ist ein sogenanntes Treibhausgas, das bei zunehmender Konzentration in der Erdatmosphäre unser Klima erwärmt. Durch den Anstieg der CO2-Teilchen in der Erdatmosphäre entweicht immer weniger der abgestrahlten Wärme ins Weltall und sammelt sich auf der Erde. Die Folgen auf unsere Umwelt sind enorm: Polkappen und Gletscher schmelzen wesentlich schneller, der Meeresspiegel steigt. Die Abholzung der Regenwälder führt dazu, dass weniger CO2 aus der Atmosphäre gebunden werden kann.

Was tun Sie als Energiemanager?

Andreas Majeri: Meine Aufgabe ist es, den gesamten Energiebedarf und -verbrauch unserer Genossenschaft zentral zu ermitteln und daraus gezielt Strategien für die Erreichung der Klimaschutzziele zu erarbeiten. Immer unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit unserer Genossenschaft. Denn wir wollen auch für zukünftige Generationen bezahlbaren Wohnraum schaffen.

Das Klimaschutzziel der Bundesregierung ist, bis 2045 klimaneutral zu werden und den Ausstoß an Treibhausgasen bis dahin auf null zu reduzieren. Was bedeutet das für unsere Genossenschaft?

Andreas Majeri: In einem ersten Schritt benötigen wir eine CO2-Ist-Bilanz. Dadurch gewinnen wir eine erste Übersicht über den CO2-Ausstoß unseres gesamten Wohnungsbestands. Auf dieser Grundlage überprüfe ich den Energiehaushalt jeder Wohnanlage und entwickle einen Maßnahmenkatalog: Wo haben wir welchen Energieverbrauch und was können wir zusätzlich tun, um die Klimaneutralität zu erreichen? Zum Schluss leite ich meine Handlungsempfehlungen inklusive Investitionssummen an die Geschäftsleitung weiter, die über die Durchführung entscheidet.

Wann können unsere Mitglieder mit ersten Klimaschutzmaßnahmen rechnen?

Andreas Majeri: Eine erste Version der Klimastrategie planen wir bis zum Ende des Jahres. Voraussichtlich im Jahr 2025 können wir die ersten Maßnahmen umsetzen. Das Energiemanagement ist ein fortlaufender Prozess. Jedes Jahr verändert sich die Ausgangslage – in einem Jahr haben wir zum Beispiel Wohnanlagen mit einem neuen Energieträger ausgestattet oder Mitglieder sind ausgezogen und der Energieverbrauch in einer Wohnung ändert sich dadurch. Dann aktualisieren wir anhand der neuen Zahlen unsere CO2-Bilanz.

Von 1999 bis 2019 konnten wir bei der Heizenergie unseren CO2-Ausstoß von 35 kg CO2 pro Quadratmeter Wohnfläche deutlich senken – auf 22 kg. Haben wir danach weitere Fortschritte erreicht?

Andreas Majeri: Ja. Seit 2019 konnten wir unseren CO2-Ausstoß noch weiter senken – auf rund 17 kg CO2 pro Quadratmeter Wohnfläche.

Was können wir zusätzlich tun?

Andreas Majeri: Bisher lag der Fokus auf den energetischen Modernisierungen, wodurch wir schon bei mehr als 60 Prozent unseres Altbestands den CO2-Ausstoß reduzieren konnten. Richtig gut sind wir demnach bei der Gebäudehülle, weshalb wir auch zukünftig Modernisierungsmaßnahmen durchführen. Hinzu kommen Arbeiten im Gebäude. Wir überprüfen die Heiztechnik und bauen erneuerbare Energien weiter aus. Wir planen energieeffiziente Neubauten, integrieren Wärmepumpensysteme in diese und erzeugen regenerativen Strom über Fotovoltaik-Anlagen. Darüber hinaus schaffen wir immer mehr Infrastrukturen für Ladesäulen. Nach ersten Berechnungen benötigen wir bis 2045 bauliche Investitionen von mehr als 200 Millionen Euro.

Bis 2030 sollen Wohngebäude die Energieeffizienzklasse E und bis 2033 mindestens D erreichen. Was bedeutet das?

Andreas Majeri: Ähnlich wie bei Haushaltsgeräten spiegeln die Energieeffizienzklassen den Energieverbrauch von Gebäuden wider. Die Einteilung in die verschiedenen Energieeffizienzklassen erfolgt je nach energetischem Gebäudezustand alphabetisch von A+ bis H. Gebäude der Klasse A+ haben einen sehr geringen Energieverbrauch oder -bedarf, wohingegen Gebäude der Klasse H einen hohen Energieverbrauch oder -bedarf haben. Die Energieeffizienzklassen E und D liegen im Mittelfeld und sind ein Zwischenziel auf dem Weg zur Erreichung der Klasse A+. Der Großteil unserer Wohnanlagen befindet sich im Bereich der Klasse D und aufwärts. Lediglich 21 unserer Verwaltungseinheiten liegen darunter und sind sanierungsbedürftig. Genau das ist meine Aufgabe: diese Wohnanlagen zu identifizieren und Klimaschutzmaßnahmen zu entwickeln.

Vielen Dank für das Gespräch!