Unsere Quartiere im Wandel

Vom Stadterneuerungsgebiet zum Szeneviertel

Vielleicht der berühmteste Hamburger Stadtteil und stets im Wandel begriffen ist St. Pauli, direkt am Hafen und in unmittelbarer Nachbarschaft zur Neustadt. Einst landeten hier die Seefahrer und begründeten den Ruf des Stadtteiles als Amüsierviertel, heute ist St. Pauli ein Ort mit vielen Gesichtern. Die Reeperbahn mit ihren trubeligen Seitenstraßen, der Hafen und die Landungsbrücken, das Millerntorstadion, der Fischmarkt und vieles mehr ziehen nicht nur Hamburgerinnen und Hamburger nach Sankt Pauli, vor allem bei Touristen ist der Stadtteil beliebt. Hier wohnt es sich mittendrin im Leben und in einer engen Gemeinschaft, auf die die Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteiles zu Recht stolz sind. Im Viertel finden sich sechs unserer Wohnanlagen – unter anderem in der Clemens-Schultz-Straße 72. 

Als wir das Gebäude im Jahr 1978 kauften, befand sich das heutige Szeneviertel St. Pauli im Umbruch. Steigende Kriminalität machte das Leben zwischen Hafen und Sternschanze wenig attraktiv. Auch die Gebäudesubstanz vor Ort war in keinem guten Zustand, sodass wir uns seit den späten 1970er Jahren vermehrt Stadterneuerungsmaßnahmen widmeten.

Genau wie der Name St. Pauli, steht auch der Name der Clemens-Schultz-Straße in einem christlichen Zusammenhang und geht zurück auf den in diesem Stadtteil geborenen Pastor Clemens Schultz (1862–1914). Sein seelsorgerisches und pädagogisches Engagement, vor allem für die ärmsten Bevölkerungsschichten, würde man heute als Sozialarbeit bezeichnen. Er gründete 1894 die Vereinigung St. Paulianer Lehrlinge und später den Gehilfenverein, dessen Mitgliederzahlen rasch anstiegen. Er begründete eine neue Form der kirchlichen Jugendarbeit. Seit 1948 trägt die Straße seinen Namen. Zuvor war sie unter dem Namen Kielerstraße bekannt – in welcher im Haus 42b ab 1882 auch der Gründer unserer Genossenschaft, Heinrich Grosz, lebte.

Stadtsanierung

St. Pauli gehört seit dem Jahr 1894 zu Hamburg. Das Gebäude in der Clemens-Schultz-Straße 72 entstand im Jahr 1898, vier Jahre nach der Eingemeindung. 80 Jahre später kaufte unsere Genossenschaft das Gebäude. Im selben Jahr kauften wir weitere Gebäude auf St. Pauli und in St. Georg, die wir in den darauffolgenden Jahren modernisierten. 

Drei Jahre nach dem Kauf erhielten wir die Genehmigung für die geplanten Modernisierungsmaßnahmen. Im Jahr 1981 begannen wir mit grundrissverändernden Umbaumaßnahmen der Wohnungen, durch die aus kleinen Wohnungen unter anderem größere Einheiten entstanden.

Diese Maßnahme war zur damaligen Zeit kein Einzelfall. Bereits 1969 hatte die Hamburger Baubehörde festgestellt, dass es in unserer Stadt mehr als 54.000 Wohnungen gab, die dringend saniert werden mussten. Bei der Instandsetzung half ein vom Bund und der Stadt Hamburg initiiertes Förderprogramm, das unter dem Motto „Erhalten, Bewahren und Entwickeln“ die Stadterneuerung vorantrieb. Altbauten in Sanierungsgebieten sollten erhalten und die Wohn- und Lebensqualität gesteigert werden. Die sogenannte „Stadterneuerung in kleinen Schritten“, die nicht nur auf St. Pauli, sondern auch in anderen ehemaligen Arbeitervierteln wie der Neustadt, St. Georg und Eimsbüttel-Süd umgesetzt wurde, bezog die Bewohnerinnen und Bewohner der Quartiere eng in die Planung ein. Für ein Gebiet in St. Pauli, das 1978 rund 80 Grundstücke mit etwa 1.300 Wohnungen umfasste, erhielten wir die Federführung für die Organisation und Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen innerhalb der „Arbeitsgruppe gemeinnütziger Wohnungsbaugenossenschaften zur Stadterneuerung Hamburg“ – die ARGES genannt wurde.

Vielfältige Aufgabenbereiche unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Für die Umsetzung brauchten wir viel Personal. Im Geschäftsjahr 1979 berieten wir an insgesamt 48 Sprechstundentagen 282 Besucherinnen und Besucher. Zudem mussten wir 40 Wohnungen räumen, da diese abgerissen oder saniert werden sollten. Daraufhin folgten 80 Wohnungsangebote, 60 Hausbesuche und acht Behördengänge – und zu diesem Zeitpunkt hatten die Sanierungsmaßnahmen erst begonnen. Wie schwierig es für uns war, das Vertrauen der Bewohnerinnen und Bewohner zu gewinnen, verdeutlicht folgendes Beispiel: Im Zuge unserer Modernisierungsarbeiten in der Clemens-Schultz-Straße konnten wir eine der oberen Wohnungen nicht sanieren, da der Mieter seine Zustimmung verweigerte. Im Geschäftsbericht aus dem Jahr 1981 steht der Vermerk, dass „Rechtsmittel […] zur Durchsetzung bewusst nicht angewandt“ wurden.

Die Clemens-Schultz-Straße heute

Mittlerweile haben sich die ehemaligen Sanierungsgebiete allesamt zu beliebten Hamburger Stadtteilen entwickelt. St. Pauli steht heute synonym für ein facettenreiches Szeneviertel, das nicht nur für Hamburgerinnen und Hamburger ein beliebtes Ausflugsziel geworden ist, sondern auch von den Anwohnerinnen und Anwohnern geschätzt wird. Unsere Mitglieder leben hier in der Clemens-Schultz-Straße verteilt auf 12 Zwei- und Dreizimmerwohnungen, die zwischen 47 und 87 Quadratmeter groß sind, umgeben von Restaurants, Bars und in unmittelbarer Nähe zu Hamburgs sogenanntem „Kiez“. Nach Wärmedämmmaßnahmen auf der Gebäuderückseite im Jahr 2007, erhielt das Gebäude einen neuen Anstrich und erstrahlt seitdem in einem hellen Blau.